25.10.15

Stellungnahme des lesbisch-schwulen Konvents Württemberg zu den "Dienstrechtlichen Rahmenbedingungen ... betreffend Homosexualität und Dienstauftrag"

Anlässlich der Konsultation „Pfarrhaus“ in Bad Urach, 25.09.2015

Konsultation "Pfarrhaus" in Bad Urach, 25. 09.2015

Stellungnahme als pdf.

Im Sommer 1999 haben Oberkirchenrat und Pfarrervertretung eine sieben Punkte umfassende „Dienstrechtliche Rahmenbedingungen für kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, insbesondere für Pfarrinnen und Pfarrer in der Evangelischen Kirche in Württemberg, betreffend Homosexualität und Dienstauftrag“ beschlossen. Diese Rahmenbedingungen wurden durch Landesbischof July im März 2011 vor der Landesynode in ihrer Geltung bestätigt.

Wir vom Lesbisch-Schwulen Pfarrkonvent halten diese Rahmenbedingungen für überholt und nicht nur im Zusammenhang mit der inzwischen erfolgten rechtlichen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften für diskriminierend. Wir fordern, diese „Dienstrechtlichen Rahmenbedingungen“ ersatzlos zu streichen und lesbische Pfarrerinnen und schwule Pfarrer rechtlich in vollem Umfang heterosexuellen Kolleginnen und Kollegen gleichzustellen.

In diesen Rahmenbedingungen wird auch das Wohnen von gleichgeschlechtlichen Pfarrer_innen im Pfarrhaus thematisiert. Unter Punkt 6 heißt es:

„Das Leben als Pfarrerin und Pfarrer ist auch ein öffentliches Zeugnis. Deshalb muss Rücksicht auf Menschen genommen werden, denen durch eine öffentlich gelebte homosexuelle Beziehung der Zugang zu ihrer Pfarrerin oder ihrem Pfarrer erschwert würde. Daher ist es im Grundsatz nicht möglich, dass homosexuelle Paare gemeinsam im Pfarrhaus leben.“

Konkret heißt das z.B. für Pfarrerinnen und Pfarrer, die in Eingetragener Lebenspartnerschaft leben: Die Evangelische Landeskirche in Württemberg erkennt die Partnerschaft grundsätzlich an, denn sie behandelt diese seitdem, was das Tarif- und Versorgungsrecht anbelangt, wie ein heterosexuelles Ehepaar. Sie bezahlt z.B. den Familienzuschlag. Aber „im Grundsatz“ ist es nicht möglich, dass diese Paare zusammen wohnen, weil es „im Grundsatz“ nicht möglich ist, dass homosexuelle Paare im Pfarrhaus leben. Das ist nicht nur absurd, das ist entwürdigend und diskriminierend.

Von Regelungen „im Grundsatz“ kann es in der Regel Ausnahmen geben. Anders ausgedrückt: Es gibt in dieser Sache eine kirchenrechtlich verfasste Realität und es gibt eine gelebte Realität. So leben seit Jahrzehnten in zunehmender Anzahl homosexuelle Paare in Pfarrhäusern, und zwar mit Wissen übergeordneter dienstlicher Ebenen und im Einverständnis mit den örtlichen Besetzungsgremien.

Wenn lesbische Kolleginnen oder schwule Kollegen sich heutzutage auf eine Pfarrstelle bewerben und beabsichtigen, mit ihrer Partnerin oder ihrem Partner im Pfarrhaus zu leben, dann klären sie in der Regel vorab, ob dies in der betreffenden Gemeinde möglich ist oder nicht. Es gibt in der Zwischenzeit in Württemberg zahlreiche Beispiele, wo das möglich war und ist und wo die betreffenden Paare offen und ohne Fragen oder Probleme in Pfarrhäusern leben. Das ist übrigens nicht nur im großstädtischen Bereich so. Erfahrungen zeigen, dass das auch auf dem Land möglich ist. Bei Investituren von lesbischen Kolleginnen und schwulen Kollegen werden mittlerweile ihre Partnerinnen und Partner selbstverständlich im Rahmen des Investiturgottesdienstes begrüßt wie dies bei Partnerinnen und Partnern von heterosexuellen Pfarrerinnen und Pfarrern auch der Fall ist. Gelegentlich wurde darüber vollkommen selbstverständlich in der Lokalpresse berichtet. Klarheit schafft Vertrauen. Die in den Untersuchungen zur Vorbereitung dieser Konsultation vielfach geforderte Authentizität bzw. authentisches Leben von Pfarrer_innen wird möglich. Transparenz führt zu Respekt und Akzeptanz.

Aus Sicht des Lesbisch-schwulen Pfarrkonvents ist es überfällig, die gelebte Realität und die kirchenrechtlichen Vorgaben in Einklang zu bringen. Wir fordern, die Regelung über das Leben gleichgeschlechtlicher  Paare im Pfarrhaus mit der Regelung, die auch für heterosexuelle Paare gilt, ohne Einschränkungen gleichzustellen.

Besetzungsgremien sind kompetent genug, zu entscheiden, ob sie einen Kollegen oder eine Kollegin, der/die mit gleichgeschlechtlichem Partner_in im Pfarrhaus zu leben gedenkt wählen oder nicht wählen. Und lesbische Pfarrerinnen und schwule Pfarrer verfügen über genügend pastoraltheologische Kompetenz und Intelligenz, dass sie sich auf solche Pfarrstellen bewerben, wo sie damit rechnen können, mit ihren Kompetenzen gewollt und in ihrer Identität akzeptiert und respektiert zu werden

Grundsätzlich müssen lesbische Pfarrerinnen und schwule Pfarrer von ihrer Kirchenleitung erwarten können, dass sie, falls es aufgrund ihrer sexuellen Identität zu einem Konflikt kommt, in den entsprechenden Situationen darauf hinweist, dass in unserer Landeskirche niemand wegen seiner sexuellen Identität und der daraus folgenden Lebensform diskriminiert werden darf. Die Kirchenleitung hat an dieser Stelle eine Fürsorgepflicht für ihre Pfarrer_innen.

Fürsorge bedeutet: Die Landeskirche begrüßt den Dienst lesbischer Pfarrerinnen und schwuler Pfarrer (z. B. in Form eines Beschlusses der Landessynode) ausdrücklich. Dies schließt das gemeinsame Wohnen im Pfarrhaus - sofern es von den Betreffenden gewünscht wird - ausdrücklich ein. Sie akzeptiert, dass abweichend davon ablehnende Haltungen in der Landeskirche vertreten und gelebt werden, verlangt jedoch von Menschen, die als Ehrenamtliche und Hauptamtliche von der bejahenden Haltung der Landeskirche abweichen, die Bereitschaft zu Gesprächen und zur Zusammenarbeit mit Lesben und Schwulen und den Verzicht auf abwertende Äußerungen. Weichen Hauptamtliche davon ab, schreitet die Kirchenleitung ein und zieht gegebenenfalls (wie z. B. in der badischen Landeskirche) disziplinarische Konsequenzen.

2015-09-25

Stellungnahme für den Lesbisch-schwulen Pfarrkonvent.

Kontakt: Klaus Pantle